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„An jedem Tag das Bestmögliche rauszuholen, wird nicht langweilig.“

Wir sind ja alle etwas flugverrückt, aber einer hat die Nase vorn: Günther Siebinger hat dieses Jahr von allen „Geratshofern“ mit Abstand die meisten Flüge und Kilometer gesammelt. Gäbe es dafür Prämienmeilen und Lounge-Zugang, hätte sich Günni alle Privilegien der höchsten Statusstufe erflogen. Wir haben ihn gefragt, was ihn immer noch antreibt.

Günni, Du bist einsamer Rekordhalter: 46 Flüge auf der Online-Plattform Weglide sind von Dir dieses Jahr verzeichnet mit einer Gesamtdistanz von über 25.000 Kilometern. Das heißt, ein Viertel der von unseren Vereinsmitgliedern 2025 erflogenen Kilometer entfällt auf Dich. Hast Du noch nicht genug vom Fliegen?

Von der Anzahl der Stunden her könnte man locker sagen, dass ich nun mal aufhören könnte. Aber was bleibt, ist der Spaß am Hobby: die Faszination am Fliegen, das Genießen der tollen Landschaft. Und es reizt mich einfach, mit dem Wetter zu experimentieren. An jedem Tag das Bestmögliche rauszuholen – ob es 300 oder 800 Kilometer sind – das wird einfach nicht langweilig. Statistiken sind zweitrangig. Immer einer Möhre hinterherzurennen, ist der falsche Ansatz.

Die Zeit muss man erstmal haben. Du warst dieses Jahr fast 300 Stunden in der Luft.

Seit Juli 2022 bin ich im Vorruhestand, daher habe ich entsprechend viel Zeit. Aber auch, als ich noch gearbeitet habe, kam ich dank Ausgleichstagen für Überstunden immerhin auf etwa 150 Flugstunden im Jahr. Mit zwei bis drei Tagen Vorlauf konnte ich meistens frei nehmen, um gutes Wetter zu nutzen. Meine Frau hat das zum Glück stets mitgetragen. Für Familienurlaub blieb trotzdem noch Zeit.

Was ist Dein liebstes Flugrevier?

Ganz klar die Berge, schon allein wegen der irrsinnig tollen Landschaft Dort ist das Fliegen facettenreicher als in der Ebene. Kaum ein Tag ist wie der andere. Es ist anspruchsvoll, man ist auch mal unter Grat und muss alle Register drauf haben. Das ist viel Übungssache, denn Erfahrung hilft dabei sehr.

Typischerweise starte ich früh und fliege vom Geratshof aus mit Motorhilfe nach Süden in Richtung Alpen, um den ganzen Tag zur Verfügung zu haben. Das Engadin geht von hier aus eigentlich immer gut. Die Berge sind thermisch intensiv und man erreicht deutlich bessere Steigwerte als woanders. Das gibt einem in der Regel die Option, abends einfach nach Hause zu gleiten.

Geht da auch mal was schief?

Klar! Dieses Jahr zum Beispiel bei einem Flug im Engadin, wo ich dann auf die Alpensüdseite gewechselt habe. Die Wolken sahen zwar gut aus, aber die thermischen Bedingungen waren sehr schlecht. Weil ich am Morgen schon vom Geratshof aus per Motor in die Berge geflogen war, hatte ich nicht mehr so viel Sprit übrig und musste im italienischen Sondrio landen. Aber ich hatte Glück: Gerade vor mir war ein Segelflieger gelandet, den ich kannte und bei dem ich übernachten konnte. Tags darauf bin ich zurückgeflogen.

Woher kommt es, dass Du in Sondrio Deine Kontakte hattest?

Ich bin immer gerne an anderen Flugplätzen unterwegs. Dieses Jahr bin ich von acht unterschiedlichen Plätzen aus gestartet. In Sondrio bin ich fast jedes Jahr, deshalb kenne ich mich dort gut aus. Und auch in Südfrankreich bin ich regelmäßig. Dieses Jahr habe ich schon zum zweiten Mal einen Flugurlaub in Sisteron verbracht und war fast den kompletten August dort. Früher war ich recht oft in Serres, aber Sisteron hat den Vorteil, nah am sogenannten Parcours zu liegen, so heißt dort die Flugroute im Gebirge – die Rennstrecke sozusagen. Durch die gute Ausgangslage hat man dort einfach ein längeres Zeitfenster zum Fliegen – man ist morgens früher im Relief und abends länger drin. Generell kommt man in Südfrankreich wetterbedingt halt auf deutlich mehr Flugtage als hierzulande.

Beim Wettbewerb in Ohlstadt war ich dieses Jahr auch dabei – schon zum zweiten Mal. Die Veranstaltung ist sehr zu empfehlen. Ein schöner Flugplatz in herrlicher Umgebung, tolle Leute, eine klasse Organisation. Gerade für Jugendliche, die mal erste Wettbewerbsluft schnuppern wollen, ist das sehr zu empfehlen. Im Doppelsitzer und in der Einsteigerklasse ist das auch mit wenig Bergerfahrung machbar.

Ein Booster für meine Stundenbilanz in diesem Jahr war außerdem definitiv mein zweiwöchiger Flugurlaub in Namibia im Dezember. Die Wetterbedingungen bieten dort einfach grandiose Flüge mit über 1.000 Kilometer Flugstrecke.

Wie bist Du eigentlich zum Segelfliegen gekommen?

Ich hab recht spät angefangen, mit 19. Aufgewachsen bin ich in Böblingen. Der Flugplatz war recht weit weg, ich hatte kein Fortbewegungsmittel und meine Eltern haben das Hobby nicht unterstützt. Seither sind rund 6.000 Flugstunden zusammengekommen. Seit 1999 fliege ich am Geratshof. Von 2004 bis 2023 war ich zweiter Vorstand im Verein.

Und welche Pläne hast Du für 2026?

Mit Sicherheit geht es wieder nach Sondrio, wenn das Wetter mitspielt. Dort startet die Saison früher als bei uns. Im Sommer steht Sisteron auf dem Programm. Aber ich möchte gerne auch wieder mehr am Geratshof sein und habe fest vor, am Oster- und Pfingstcamp teilzunehmen.

Günni, vielen Dank für das Gespräch und allzeit Happy Landings!

Sein Ventus 2cM mit 18 Meter Spannweite ist Günthers treuer Begleiter auf seinen Flugabenteuern.